Goodbye Deutschland: Das Finanzamt bittet zur Kasse

6. Juli 2019

Wer sein Vermögen verkauft, erhält Geld. In vielen Fällen verlangt das Finanzamt davon seinen Anteil. Soweit so gut. Problematisch wird es jedoch, wenn Gewinne steuerlich erfasst werden, ohne dass eine Veräußerung stattfindet. So im Falle des Wegzugs aus Deutschland. Dann unterliegen Wertsteigerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften der Einkommensteuer. Wir erklären Ihnen die Details.

Eine nur wenig bekannte Vorschrift des Außensteuergesetzes fingiert bei Aufgabe des inländischen Wohnsitzes die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (zum Beispiel GmbH-Anteile), die eine natürliche Person besitzt. Da in diesem Fall die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland endet, werden bei Wegzug die Wertsteigerungen in den Anteilen besteuert. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige zuvor in Deutschland mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und zu mindestens 1 Prozent beteiligt ist.

Beispiel: A wohnt in Deutschland und ist seit Jahrzehnten zu 50 Prozent an einer deutschen GmbH beteiligt. Die Anteile, die er für 1 Mio. Euro erworben hatte, sind aktuell 11 Mio. Euro wert. Würde er diesen Anteil jetzt verkaufen, müsste er den Veräußerungsgewinn von 10 Mio. Euro versteuern. Steuerlich erfasst würden davon 60 % (=6 Mio. Euro) im Rahmen des sogenannten Teileinkünfteverfahrens. A müsste eine Einkommensteuer von rund 2,5 Mio. Euro an das Finanzamt abführen. Falls A unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes ins Ausland verzieht, entsteht die Steuer in gleicher Höhe auch ohne Verkauf. Auch die Beibehaltung einer inländischen Wohnung nützt A nichts, falls sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen ins Ausland verlagert.

Motiv für die Einführung dieser so genannten Wegzugsbesteuerung im Jahr 1972 war die Sicherung einer gleichmäßigen Besteuerung von natürlichen Personen, die jahrelang in Deutschland lebten und bei denen sich der deutsche Besteuerungszugriff durch den Wegzug dramatisch zu verringern drohte. Hintergrund: Anders als bei Personengesellschaften, darf Deutschland im Regelfall mit dem Wegzug Wertzuwächse in Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht mehr besteuern. Nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen hat der (neue) Ansässigkeitsstaat fortan das Besteuerungsrecht. Das unternehmerische Lebenswerk steckt nicht selten in Anteilen an Kapitalgesellschaften, sodass oft über Jahre betrieblicher Tätigkeit im Inland ganz erhebliche Werte geschaffen wurden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „stillen Reserven“. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Fiskus die inländische steuerliche Erfassung absichern wollte. Auch zahlreiche andere Länder haben inzwischen vergleichbare gesetzliche Regelungen.

Weitere „Auffangtatbestände“ heizen die Brisanz der Vorschrift an. So führt auch ein Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Veräußerungsgewinns sogar ohne Wegzug zur Besteuerung des Vermögenszuwachses. Dies kann beispielsweise bei Neuabschluss oder Änderungen von Doppelbesteuerungsabkommen der Fall sein.

Beispiel 1: A ist an einer spanischen Kapitalgesellschaft beteiligt, deren Betriebsvermögen überwiegend aus Immobilien besteht. In dem seit 1.1.2013 geltenden neuen Doppelbesteuerungsabkommen wurde im Veräußerungsfall – anders als bisher – auch Spanien ein Besteuerungsrecht eingeräumt. Folge: Der Vermögenszuwachs unterliegt zum 1.1.2013 der deutschen Einkommensteuer.

Beispiel 2: A ist Alleingesellschafter der deutschen A-GmbH. Er stirbt. Seine beiden Kinder sind zu gleichen Teilen Erben. Der Sohn lebt in Deutschland, die Tochter in den USA. Folge: Soweit die Beteiligung der Tochter zuzurechnen ist, sind die stillen Reserven sofort zu versteuern.

In allen Fällen besteht ein großes Problem: Es entsteht Einkommensteuer, ohne dass Liquidität zufließt. Es wundert also nicht, dass die Wegzugsbesteuerung seit Jahren in der Kritik steht und immer wieder Gegenstand finanzgerichtlicher Auseinandersetzungen ist. Da die Regelung auch vor dem Hintergrund europäischer Freizügigkeitsrechte problematisch ist, hat der Gesetzgeber bei Zuzug in ein Land der Europäischen Union oder in ein Land des Europäischen Wirtschaftsraums eine Stundung der Einkommensteuer bis zum tatsächlichen Verkauf der Anteile in das Gesetz aufgenommen. Zudem kommt unter weiteren Voraussetzungen eine Stundung bei erheblicher Härte oder bei nur vorübergehender Abwesenheit in Betracht.

Tipp: Soweit möglich, gilt es durch rechtzeitige Gestaltung die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden, beispielsweise durch Umwandlung in eine Personengesellschaft vor dem Wegzug. Zahlreiche weitere Aspekte sind zu beachten, so zum Beispiel bei Verlustsituationen, Rückumzug oder die Sonderregelungen durch den Brexit. Unsere Fachberater für Internationales Steuerrecht unterstützen Sie dabei gerne mit ihrer Expertise.

Übrigens: Soweit auch bei anderen Wirtschaftsgütern das Besteuerungsrecht Deutschlands durch Überführung ins Ausland eingeschränkt wird, kommt es ebenfalls zu einer Besteuerung des aufgelaufenen Wertzuwachses.

Beispiel: A überführt eine Maschine in die ausländische Betriebsstätte seines Unternehmens. Die Maschine wurde für 1 Mio. Euro angeschafft und zwischenzeitlich abgeschrieben auf einen Buchwert von 200 TEUR. Der tatsächliche Wert beträgt im Zeitpunkt der Überführung 500 TEUR. Das Besteuerungsrecht im Falle eines Verkaufs der Maschine steht fortan nach dem Doppelbesteuerungsabkommen dem Betriebsstättenstaat zu. Folge: A muss im Zeitpunkt der Überführung 300 TEUR der Einkommensteuer unterwerfen.

Eine Sonderregelung im Einkommensteuergesetz ermöglicht bei Überfügung von Wirtschaftsgütern in einen anderen EU-Staat auf Antrag die Verteilung des zu versteuernden Betrages durch Bildung eines Ausgleichspostens auf fünf Jahre.

Übrigens: Die gleichen Rechtsfolgen wie bei einem Wegzug des Anteilseigners ergeben sich, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung in einen anderen Staat verlegt und dadurch das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile eingeschränkt wird.

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